Der Intellektuelle

„Wohin bringst du mich?” – „Ich bringe dich nach Bari, meine Liebste” – Worte von Alberto Sordi und Monica Vitti aus dem italienischen Film „Polvere di Stelle“. Beide Schauspieler begleiten uns heute und zeigen uns die Magie und die Mysterien Baris. Wir folgen ihnen und der salzigen Meeresluft, die vom alten Stadtkern Baris bis zu den mittelalterlichen Türmen und den kleinen Innenhöfen weht. Und es sind exakt diese Höfe, denen die allgegenwärtigen Madonnen ihren Segen verleihen. Doch zurück zum Film „Polvere di Stelle“ von Alberto Sordi aus dem Jahr 1973, der heute für uns den Vorhang zum majestätischen Mini-Universum des Teatro Petruzzelli lüftet.

Das Teatro ist das viertgrößte Theater Italiens und befindet sich auf dem Corso Cavour, einer der eleganten Prachtstraßen Baris, mitten im Murat-Viertel. Mit „Polvere di Stelle” debütierte die Hauptstadt Apuliens als vollwertiges Mitglied unter den italienischen Filmstädten. Gerade in der Stadt angekommen, verbeugen sich die beiden Protagonisten des Films, der Capocomico Mimmo Adami und das Showgirl Dea Dani, zutiefst gerührt vor dem Theater, auf dessen Bühne sie später ihre Show inszenieren.

Auch ich verneige mich im Geiste vor dieser architektonischen Schönheit, die 1991 durch Brandstiftung zerstört und später mit Originalelementen wieder aufgebaut wurde. Ein weiterer Schauplatz des Films ist das legendäre Hotel Albergo delle Nazioni, dem die Baresi einst wegen seiner Ausrichtung aufs Meer und seiner imposanten Bauweise liebevoll den Beinamen „Ozeandampfer“ gaben. Wenn man von der Altstadt Richtung Lungomare Nazario Sauro läuft, ist das Hotel das erste zeitgenössische Gebäude im modernen Erscheinungsbild der Stadt und bildet den Auftakt einer Serie von prächtigen Verwaltungs- und Militärgebäuden.

Rein geografisch gesehen, ist die Verbindung Baris zum Film allerdings schon viel älter. Das Cineporto entstand am Lungomare Starita als Apuliens Basis für diverse Filmteams. Es befindet sich in unmittelbarer Nähe des Messegeländes der Fiera del Levante und hat sich mittlerweile als öffentliches Kunst- und Kulturzentrum etabliert.

Teatro Petruzzelli
L'Arco Meraviglia. Bari
Arco Meraviglia
Puglia Design Store. Spazio Murat. Bari
Puglia Design Store, Spazio Murat

Wir verlassen nun die Vororte Baris und kehren zurück ins Zentrum: zum Piazza del Ferrarese, wo vor dem alten Fischmarkt das Spazio Murat entstand. Es ist der kulturelle Mittelpunkt der Stadt und widmet sich der zeitgenössischen Kunst und Kultur.

In seinem Inneren stoße ich auf den Puglia Design Store, ein Kleinod für jeden Fan moderner Kunst und genau an der Schwelle vom alten zum modernen Bari. Das Spazio Murat fördert Design „made in Apulia“ und ist in zwei Bereiche aufgeteilt: einen Concept Store, in dem man Künstler aus der Region entdecken kann, und eine Eventlocation für Ausstellungen aller Art.

Zusammen mit dem ehemaligen Teatro Margherita, einem prachtvollen historischen Theater am Meer, und dem ehemaligen Fischmarkt bildet es das Epizentrum der zeitgenössischen Kunst. Ab 2018 bzw. 2019 kommt man hier in den Genuss von Musikveranstaltungen, Tanz, Theater, Kunstausstellungen und allem, was man sich unter dem Begriff Kultur vorstellen kann.

Puglia Design Store, Spazio Murat

Bari ist für Menschen gemacht, nicht für Autos. Man sollte die Stadt deshalb auf alle Fälle zu Fuß erkunden. So ziemlich jedes Ziel kann hier eigentlich in kürzester Zeit fußläufig erreicht werden. Und man entdeckt dabei sogar die ein oder andere Abkürzung, die einem sonst verborgen bliebe. Ich lasse die Piazza del Ferrarese hinter mir und bin bereit, in das geheimnisvolle Labyrinth von Bari Vecchia einzutauchen.

Hinter der Stadtmauer gerate ich in einen Strudel von Eindrücken und Empfindungen. Ich begegne, der Reihe nach, „Shakespeare in Bari“, einem Symbol von Schuld und Gerechtigkeit wie aus der Feder von Alessandro Manzoni, einer archäologischen Ausgrabung mitten im Straßentrubel und schließlich dem sogenannten Türkenkopf, einem Symbol des Widerstands gegen die Ausbreitung des Islams im sarazenischen Bari um 800 n. Chr.

Aber der Reihe nach: Der Arco Meraviglia ist eine romantische Reminiszenz an Veronas tragische Liebesgeschichte von Romeo und Julia, aber in diesem Fall mit Happy End. Auch hier geht es um zwei junge Liebende, deren Liebe von der Familie des Mädchens verhindert werden soll. Der Vater des Jungen baut deshalb in nur einer Nacht diese steinerne Brücke und verbindet so die beiden Liebenden, die einander gegenüber wohnen. Ein kleines Wunder, das die Passanten bis heute verzaubert.

Die Colonna Infame, auch „Säule der Gerechtigkeit“ genannt, wurde im 12. Jahrhundert als öffentlicher Pranger für säumige Schuldner genutzt. Mit ihrem steinernen Löwen überblickt die sie die gesamte Piazza Mercantile und ist weithin sichtbar. Um den Türkenkopf, den Testa del Turco, zu finden, muss man sich etwas mehr anstrengen. Diese Büste des sarazenischen Kriegers Muffarag befindet sich über einem Bogen in der Strada Quercia 10. Tatsächlich ist er so versteckt, dass ich eine sympathische Dame fragen muss, die gerade am Fenster steht und sich aufgrund meines verdächtigen Umherstreifens Sorgen macht.

Aber der wohl eindrucksvollste Anblick bietet sich mir in den Überresten einer antiken Kirche inmitten der Altstadthäuser um die Piazza Santa Maria del Buon Consiglio. Es macht Spaß, den Kindern dabei zuzuschauen, wie sie mit ihren Fahrrädern und Dreirädern zwischen den romanischen Säulen, korinthischen Kapitellen und auf marmornen Bodenmosaiken herumkurven.

Bari Vecchia blickt nicht nur auf eine tausendjährige Geschichte zurück. Das Museo Civico zeigt die Stadt von einer durchaus lebendigen Seite. Es ist ein Ort für den kulturellen Austausch und beherbergt zahlreiche Kulturprojekte. Das Museum zeigt die Geschichte und die Kultur der Stadt in vielen verschiedenen Exponaten, unter anderem Fotografien aus dem Bestand von Liborio Antonelli Matteucci („Bari des 19. und 20. Jahrhunderts“ und „Die apulischen Soldaten zur Zeit des Großen Krieges“, um nur einige zu nennen). Die Bandbreite der Ausstellungsstücke erstreckt sich dabei bis zu Karikaturen von Frate Menotti.

Fiera del Levante. Bari
Fiera del Levante

Ich wandere weiter auf den kulturellen Spuren Baris und statte der Galleria Doppelgaenger einen Besuch ab, die einige der aktuell interessantesten Ausstellungen zeitgenössischer Kunst beherbergt und – vielleicht paradox – ihre Heimstatt in einem historischen Palazzo in der Via Verrone 8 hat.

Die Galleria Doppelgaenger steht für Experimentierfreudigkeit und die unermüdliche Suche nach neuen Schätzen. Hier finden die unterschiedlichsten zeitgenössischen Kunstformen ihren Platz, besonders die bislang akademisch noch wenig beachtete Street Art.

Galleria Doppelgaenger
Galleria Doppelgaenger

Eine Stadt, die ihre Existenz dem Meer verdankt, ist immer faszinierend. Bari jedoch, als mittelalterliches Juwel, entfaltet durch seine besondere Meereslage eine unwiderstehliche Magie.

Via Goffredo di Crollalanza
Promenade Araldo di Crollalanza
Puglia Design Store. Spazio Murat. Bari
Puglia Design Store, Spazio Murat

Die wahre Größe Baris zeigt sich in ebendiesen kleinen Dingen. Eine Stadt, die ihre Existenz dem Meer verdankt, ist immer faszinierend. Im Falle Baris ist in dieser Meereslage ein mittelalterliches Juwel entstanden. Der strenge romanische Baustil wechselt sich mit versteckter Moderne und byzantinischen Bauwerken ab. Zusammen bilden die verschiedenen Baustile das pulsierende Herz der Hauptstadt Apuliens. Eine Stadt, in der die Kunst nicht zum Bewundern da ist, sondern mit dem Leben der Einwohner verschmilzt. Es ist einfach herrlich, sich in diesem Zauber zu verlieren.

Bari ist für Menschen gemacht, nicht für Autos. Man sollte die Stadt deshalb auf alle Fälle zu Fuß erkunden. So ziemlich jedes Ziel kann hier eigentlich in kürzester Zeit fußläufig erreicht werden. Und man entdeckt dabei sogar die ein oder andere Abkürzung, die einem sonst verborgen bliebe. Ich lasse die Piazza del Ferrarese hinter mir und bin bereit, in das geheimnisvolle Labyrinth von Bari Vecchia einzutauchen.

di Valerio Stefanori

Ausgrabungen, Santa Maria del Buon Consiglio

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